kontrollueberzeugung
`beim luegen fuehle ich mich wie eine hure`, sagt emily und blaettert dabei lustlos durch die illustrierte. die bilder sind ihr nicht bunt genug. die zeitschrift ist von 97. emily lacht ueber die frisuren der models. mit dem kugelschreiber malt sie ihnen die augenhoehlen aus. die spitze reisst papierlagen hinter sich her.
`wenn das der erste stock ist`, sagt sie und zeigt auf die oberste seite,
`dann fahre ich jetzt in den keller.`
`du bist ein schlaues maedchen, emily.` die blonde frau hat sich vom fensterwischen abgedreht. vor der scheibe halten zwei polizeireiter.
`du kannst dir noch ein eis nehmen.`
`du weisst doch, ich hab kein geld.`emily setzt ihre kapuze wieder auf.
die blonde zeigt in die ecke des ladens. emily steht auf.
`weisst du, mein vater kann nicht lesen.` sie nimmt eine weisse verpackung aus der plastiktruhe. der verschluss zischt kurz. ein polizist ist draussen abgestiegen und kontrolliert einen obdachlosen. er haelt den ausweis mit zwei fingern fest und reicht ihn seinem vorgesetzten hoch. die worte werden von der scheibe geschluckt. die blonde bittet emily hinter den tresen zu gehen und einen knopf zu druecken. emily kleckert etwas eis auf ihren pullover.
`drueck jetzt den blauen knopf.`die stimme der frau ueberschlaegt sich wuetend. hektik draussen. die fenster des ladens verspiegeln sich. emily zieht die augenbrauen hoch. pferdewiehern. etwas schlaegt hohl gegen das fenster.
`kannst du lesen?` emily reibt das eis in die kleidung. die blonde stellt den aufgehaengten fernseher lauter. immer mehr balken in der anzeige. volksmusik droehnt durch den raum. emily sieht sich in der spiegelflaeche. sie aergert sich ueber den fleck und die ueberfluessigen kalorien. draussen schreie. grotesker peitschenknall. die glaeser in den vitrinen zittern. die blonde konzentriert sich schweigend auf den bildschirm. `kennst du dieses lied, emily?`
pferde im galopp.
`ich muss nach hause, bevor es dunkel ist, tante.`
`gleich.`sagt die blonde und greift den putzeimer. `male noch ein paar minuten etwas aus, ja ?`
emily nickt. der kugelschreiber ist leer. emily kratzt augen aus. als sich die schleuse oeffnet, faellt der blonden ein, dass sie emily sagen will, dass sie das wort nicht mehr benutzen soll.
[pn]
Kategorie: wachsfigurenkabinett
Schlagworte: dystopie
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