begruessung durch trockene haende
tunnel und lichtkegel wechseln sich ab, dopplungen von worten sollten vermieden werden. es folgen leichte sommeranzuege aus duennem stoff, die spazierstoecke sind daheim an die wand gelehnt. am morgen hat ernst zwei eimer kohlen aus dem keller geholt, schwarzfettige haende gewaschen. selbst jetzt im sommer ist es in der hellhoerigen wohnung kalt. jetzt sitzt ernst in der strassenbahn, die pferde haben diese nacht gut geschlafen und vor kurzem die futtersaecke geleert. beschlagene hufe schlagen auf den teerboden. im wagen riecht es schnell nach fisch, papiertueten liegen in der mittagszeit auf den oberschenkeln der passagiere, kleben an den hosenbeinen. das fleisch ist zu frisch, entlaesst den rosa saft. die leeren haende werden gefaltet, ernst haelt sich aufrecht, er muss heute den gemeindevorsteher sehen, ernst traegt einen brief in der manteltasche, nach dem er ab und an fuehlt und eine ecke des zitronengelben umschlags betrachtet. am exekutionsplatz steigt niemand aus, hier hat die polizei ihre eigenen reitstaelle. es wohnen kaum buerger in der umgebung. die ulmen haben an den strassenraendern aufgehoert zu wachsen, als haetten selbst sie den toten boden verstanden. auch die pferdekoepfe schlagen aus, dass die bahn auf den schienen davon zittert. ernst verlaesst an der naechsten haltestelle die bahn, er laueft den huegel zum rathaus hinauf, vorbei an den buden der kleinen haendler und handwerker. in diesem teil der stadt ist elektrizitaet vollstaendig verboten. es ist eine schrulle des buergermeisters, der lieber hunderte von brieftauben von den grossen fenstern des gebaeudes aufsteigen laesst. sie sind dressiert nicht auf die strassen zu koten. so muehen sich die menschen nicht einmal den blick zu heben, wenn die voegel stuendlich die sonne verdecken und grobe schatten auf den boden und in den park werfen, der weitlaeufig um das rathaus angelegt ist. bis heute hat das geld nur fuer einige tuempel gereicht, nicht fuer den prachtsee, auf dem der buergermeister feine damen mit sonnenschirmen in booten treiben lassen wollte. nun werfen stechmuecken ihre larven in das stehende wasser, machen einen aufenthalt durch laerm und attacken ins gesicht unmoeglich. ernst legt den blick zur seite, da er einen bekannten in der menge erkannt hat. dieser steckt den kragen hoch und sagt:
solange kein blut in rotz oder der pisse ist, kannst du kaempfen.
dann schlaegt er ernst als offizier auf die schulter. ernst findet sich in einer gruppe rekruten wieder. sein nebenmann rollt nach links oben mit den augen, wie jemand der im kopf ein bild konstruiert. sie nennen ihn ladehemmung, obwohl sein gewehr immer schiessen kann. es geht zurueck zum zug, die gesamte division verlaesst das land. ernst erinnert sich, dass er heute seine einberufung verhindern wollte. weiter, weiter, schreit der offizier. die spucke schluckt er herunter, nur der gestank fliesst ihm aus dem mund. ich habe gewissensbisse, denkt ernst, weil ich zwei feinde und zwei zivilisten erschossen habe. der offizier hat ihm gestern auf die schulter geschlagen. die einzige lobende handlung, die er kennt. heute bekommt ernst dafuer einen abdruck auf die augen. er klettert in den panzer hinein und lacht kurz und hart darueber, dass er nicht zwischen ihnen umherirren muss.
[pn]
Kategorie: kriegstagebuch
Schlagworte: dystopie
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