vor der rossschlachterei



06:12

der pfoertner amon hat an der aussenwand der huette einen rueckspiegel angeschraubt, so darf er laenger sitzenbleiben. er laesst die koepfe an der scheibe warten, passierscheine werden ihm entgegengehalten. dann nickt er den gesichtern zu, umarmt dabei die tasse, stellt sie in der verschraenkten armbeuge ab. die zungenspitze faehrt ihm aus dem mund und wird trocken. amon muss sich hassen lernen, es stoert ihn nichts, noch nicht. die arbeit perlt an ihm ab. im kopf haengt das bild eines jaegers, der nichts geschossen hat. die schritte, die aus dem wald zurueckfuehren sind stets laenger und verzweifelter, als die ankommenden. amon steht auf, damit dass kreuz sich dehnen kann. an die waende kratzt er spurrillen in das holz. dalek, der vorarbeiter klopft ans glas :

dumm, dumm. die stechuhr ist korrupt. wieder einmal finden wir uns hier ein, haettest du deinen kalender nicht abgehaengt, waere dir nicht schlecht, amon. amon schaut ihn mit dem ruecken an : halt dein maul, dalek und kugel deinen arm an deiner presse aus. mich stoerts kaum hier zu sitzen, im sommer oeffne ich ein fenster, im winter stelle ich ne kohlentonne hier hinein. du musst dein hemd wohl oefter wechseln, kinderhirn?

dalek eilt weiter, hat die worte nicht mehr hoeren koennen. der kiesweg knirscht zu laut. durch das tor hinein, in einen arbeitsrausch getaumelt, am eingang gibt ihm der nacken eine arbeitspille in die hand. die dreiecksform hat einen jahrelangen eindruck in die innenflaeche seiner hand gestanzt. in welchem land wird bei zustimmung der kopf geschuettelt? er weiss es nicht mehr, hat es aber doch im fernsehen gelernt.

amon dreht auf seinem stuhl, jetzt hat er eine ruhepause am koerper, jedoch nicht im kopf. seine frau fragt abends immer nach dem spiegelpaar, damit sie ihren ruecken ruhig betrachten kann, ohne den kopf streng drehen zu muessen. amon laechelt sie still an und kaut weiter. sein gesicht bemueht sich um verschwiegenheit. in einem monat kauft er silberfarbe und streicht ihr wohl die augen an. viele wollen innenseher werden. zum mundzunaehen reicht es noch lange nicht, da wird er noch malochen muessen. das denken endet schoen. amon schaut auf die scheibe und hinaus.

11:44

hunderte sind vorbeigegangen. amon legt die hand auf das klingelnde telefon, hoert die anweisungen an. das herz schlaegt ihm in den hals. menschen vergessen oft, dass ihnen heiss vor angst werden kann. das vergessen kommt, wenn die hitze abklingt. amon wird rot und ist selbst befangen. ja, ja, ja – die lippen tun ihm davon weh. frueher hatte er einen knopf im armaturenbrett, den konnte er druecken. natuerlich nicht aus lust und laune, aber in bestimmten momenten, die eine aktivierung erforderte. der weisse knopf wurde ausgebaut. jetzt macht alles die zentrale. amon spuert den widerstand des knopfes immernoch im finger.

16:59

die sonne senkt sich steil herab. amon muss die hand ueber die augen halten, versucht die silhouetten der verlassenden zu deuten. in krummer haltung schreibt er irgendetwas in sein protokoll, wirkt geschaeftig. er sorgt sich schliesslich auch um seine anstellung. dabei sind doch alle arbeitsplaetze staatlich garantiert. diese alte gewohnheit ist reine nostalgie. morgen wird er nicht zur arbeit kommen muessen. er hat urlaub und freut sich bereits jetzt auf seine krankheitspille, die geschmacksneutral eine erkaeltung oder aehnliches hervorruft. amon wird sich sorgfaeltig an die schlaefe greifen und das fieber geniessen. dalek weiss um die tatsache und geht deshalb besonders langsam am pfoertnerhaus vorbei, die neidaugen sind rechtwinklig zum gang auf amon gerichtet, beide haben den eindruck, als dauerte die begegnung eine ewigkeit. zeitlupe. dann zieht amon seine zunge wieder ein.

[pn]