sobaka
abgewoehnen. das musst du dir abgewoehnen, sobaka, sage ich und gehe die treppenstufen herunter. sind die immer so steil gewesen? trolleys und wartende. blaue koffer und gefangene. ich stelle mir vor, wie es waere stehenzubleiben. im zug koennen wir unsere beine austrecken. sobaka schaut zu den lieferwagen, die ueber eine bruecke fahren. sie verschmieren alles, stossen ihr licht in die daemmerung, die keine mehr ist. er hat einen parka an, zieht ihn zu. wir fahren nach koeln. vor dem einsteigen werden noch zigaretten geraucht. zwei. sicher, dass wir im nichtraucher sitzen. die anderen schauen aus den erleuchteten wagen zu uns heraus. ihre gesichter noch voll schlaf bekuemmert. einige aufgeregt. russische kinder begeistert ueber touchscreens der deutschen bahn. sie kaufen keine tickets. sie tauschen zeit. kauen brote, die ihnen eine besorgte mutter zubereitet hat. thermoskannen und rote gesichter. sobaka seufzt und rotzt auf den boden. noch zwei minuten, der zug faehrt ab. zum glueck sehen wir heute keine wasserflaechen, sonst muesste ich kotzen. im inneren stehen wir in dem zwischenabteil und schauen lange, wir haben karten, trennen uns nicht von den reisenden, haben nichts vor. stehen. die laternen sind noch an, stoeren uns nicht. sobaka hat einen kaugummi im mund, spricht so undeutlich, dass ich ihm nicht zuhoeren kann. bewege den kopf zufaellig. der kontrolleur kommt, er ist in der mitte dick, hat ein schlankes gesicht. sein arm ist muede geowrden vom jahrelangen austrecken und entgegennehmen der fahrscheine. ich taeusche mich wahrscheinlich.
im ruecken will ich keine lachenden sprecher haben. keine kopfhoerer und bedingungen. kratzender pullover. ich stelle den sitz imaginaer nach hinten und tue so , als wuerde ich schlafen. sobaka starrt haessliche frauen an, die uns jetzt gegenuebersitzen. wenn wir fahren geben wir uns gerne als journalisten aus, die brauchen nichts zu koennen und haben meist nur stift und papier in der hand. wenn einer von uns schreibt , schaut der andere gedankenverloren auf die landschaft und greift sich ans kinn. rodin haette eine freude daran. freundlichkeit und bestimmtheit.sobaka hat den ganzen jargon drauf, so gut, dass wir noch nicht einmal ein telefon ans ohr halten muessen. die frauen haben sich nichts zu sagen. mit jedem kilometer werden sie dicker und duemmer. sobaka laufen die traenen herunter, er denkt an seine mutter, die vorgestern gestorben ist. im droehnenden zwischenteil rauche ich eine weitere zigarette, obwohl es verboten ist. mir ist nicht kalt , obwohl ich nicht geschlafen habe. der geschmack von rotwein ist unter der zahnpasta. kein akkordeon, keine mundharmonika. dies waren und sind bedingungen. sobaka hat eine merkwuerdige fresse , als ich wieder ins grossabteil trete. seine zehen zeigen in richtung fleisch. mir wird doch uebel. eine durchsage, rauschend und unvollstaendig. wir fahren mit der d-bahn. an der naechsten station sehe ich einen beleuchteten automaten,als ich versuche die preise zu lesen wird neben mir ein fenster aufgerissen. arbeiter steigen hinzu. ein mann mit billigem anzug sitzt einige plaetze hinter mir. er wird der chef genannt. spricht durch die kehle. gruesst artig und schwach. hinter seinem ruecken wird er niedergemacht. artig gruessen auch die angestellten, wuenschen ihm ein gutes neues jahr. sobaka stoesst mich an, gestern war silvester. jetzt ist erneut der januar beinah vorbei.in der kneipe haben wir gefeiert, sind nur kurz aufgestanden. haben angestossen mit glaesern , die nicht nach glas klingen, sondern nach plastik. wie der sekt, den wir tranken. dieses jahr stehe ich zum ersten mal nicht vor der tuer, umarme niemanden. keine glueckwuensche. stattdessen wird weitergetrunken. ich habe getraeumt von aufklebern und der ex. hat wieder keinen sinn ergeben. durch die halbgeoffneten augen sehe ich, dass sobaka mit den frauen beim rauchen ist. zufrieden strecke ich die beine aus. ziehe sie zurueck , als sie wiederkommen. ich merke, dass wir eine weile fahren, als die ersten papiere rascheln und die gespraeche verebben. es riecht nach wurst und kaese. wieso gibt es diese vorstellung der bekanntschaften, die man waehrend einer zugfahrt machen kann ? niemand spricht einen fremden an, es sei denn ihm ist wirklich schlecht und er hilfe braucht. sobaka und die frauen ziehen einen gestank von nikotin hinter sich her. ich koennte wieder rauchen. erneut eine station. mehr arbeiter. mehr schweigen. mehr wurstbrote. gruene jacken. die polizisten , die von bundesland zu bundesland geschoben werden fahren mit dem zug. planspiel. entweder rechnen sie am monatsende ab oder kriegen eine monatskarte zweiter klasse gestellt. schiefe gesichter , blonde pferdezoepfe und bundeswehrruecken. dies ist buergerdienst. grobe rucksaecke und frisuren. die polizisten essen eierbrote und trinken cola light. rinnsale von paragraphen. die augen wachsam gegen die decke gerichtet. sobaka ist nervoes, da er ein wenig grass dabei hat. er reibt sich ueber die brusttasche seiner jacke, verteilt so den geruch. solange keine hunde da sind, denkt er, denke ich fuer ihn. er schaut mich an. ich erkenne und tue so , als waeren wir wieder in einem gespraech gelandet , dass wir vor kurzen fuehrten. die frauen schauen zu den bullen.ordnung muss sein. vielleicht hoffen sie jemanden wiederzuerkennen aus einschlaegigen polizeisendungen. je weniger sterne auf den schultern umso wuerdevoller wird geordnet und angeordnet. mit nachdruck. ich reibe mir erst die haende und dann die augen, da mir langweilig ist. der zug rutscht auf der schiene entlang. hatten die vorfahren noch angst bei fuenfzig kmh zu verbrennen oder den verstand zu verlieren , gaehnen wir und hoffen auf den tod. es geht uns nicht schnell genug. im fernsehen sah ich neulich eine sendung,in der ein pianist erklaerte wie der blick der menschen sich veraendert haette. er sprach ueber die interpretation von kompositionen, laut ihm spielten viele pianisten zu schnell. fixiert man im zug einen punkt statt fern nur nah, wenige meter vor das abteilfenster, so hat das auge keinen platz etwas festzuhalten. es stolpert wirklich, alles verwischt. liegt der blick jedoch am horizont, ruht er dort. den betrachter ueberkommt ein gefuehl entsprechend der geschwindigkeit. lustlosigkeit , da man vermeintlich neben dem zug herlaufen koennte. wir sind mobile fernrohre. die lange brennweite laesst alles flaechig und langsam erscheinen. ein bild kann nur eine gewisse zeitspanne ueberdauern, bis es verdaut ist. lassen wir uns darauf ein hat es bereits eine kriterienliste passiert, im schlechtesten fall sediert es nur. der blick hat sich geandert, sagt der pianist und kriegt sein gutes geld dafuer. tut doch niemandem was, klimpert so herum. wenn es keine koerper rettet, so dringt manches in den geist. ich moechte dies gern alles ausprobieren. muss lange duldsam auf die polster schauen, da es draussen noch dunkel ist. sobaka hat die zigarettenpackung in den zu kleinen behaelter gedrueckt. er laesst sich jetzt nicht mehr schliessen. wurde noch nie geleert. keine obligatorische bananenschale. ist anders eingeschmiert mit essensresten und papier. eine pepsidose, noch klar im design, noch nicht erdrueckt von gewinnspiel und aktionstreuepunkten ist der beweis. schlicht, wie aus einer zeitmaschine ist sie entstiegen. selbst die werbung hatte damals einen stolz. damals? vor kurzem.
[pn]
Kategorie: erzaehlung, junkieausrede
Schlagworte: deutsche bahn, russen
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