piloten
keine angst vor dem ueberwachungsstaat. du hast angst vor mir, sagt jaegle und schaut mich an. es ist eng in der umgebauten concorde. im hinteren abschnitt des flugzeuges haben wir brom in schweren metallfaessern geladen. wir sind bereits seit tagen in der luft. alle sechstausend kilometer fuellt eine zwillingsmaschine unsere fluegel auf. jaegle schaut auf ein verschweisstes bullauge. jucken dir auch derart die ellenbogen? sie verlaesst die kniehocke und nimmt dabei keinen arm zur hilfe. eindrucksvoll in diesen schweren anzuegen. sie schlaegt mit dem handschuh gegen mein visier. bietet mir mit getoentem helm in einer eindeutigen bewegung die paarung an. auf dem boden, denke ich. die naechste stunde verbringe ich im lernschlaf. eine meldung des bordcomputers weckt mich. stumm stehen wir an den nahrungskabeln, um uns einzuklemmen. schneiders ablauf muss wieder durchgeschossen werden. er schaut zuviel fern in seinem helm. verbringt den gesamten flug nur in sich selbst. die hydraulik seines anzuges kontrolliert leise und vollstaendig seine glieder. er liegt im stehen. hoert oldies dabei. ich habe erst vierzig prozent abgegeben, um mich besser auf meine arbeit konzentrieren zu koennen. jaegle fuettert ueber ein terminal den testaffen. im neonkasten sitzt h4 hinter plexiglas, frisst mit schlaffer hand die schwarzen pellets, die hineinfallen. ich stehe in der naehe. ein teil von mir liest datenmengen aus. die restlichen anteile nutze ich, um mit jaegle ueber die hypnotischen bewegungen von giraffen zu sprechen. sie hat angeblich schon mit dieser art gearbeitet. ich gehe wortlos in neid ab, um mich bei der zentrale zu melden.
spaeter steht jaegle an den anzeigen des bromwerfers. ich erkenne, dass sie sich im anzug noch selbst bewegt. dann spuere ich einen druckausgleich. der nachbrenner zuendet. wir steigen durch die schallmauer auf siebzehn kilometer. verspruehen elf tonnen ueber oslo. die videomonitore zeigen die hinter uns entstehenden kondensstreifen. rotbraunes eis wird in den himmel gerissen. die hormonpumpe gleicht mich aus. anscheinend hat der computer schwankungen in der gruppendynamik festgestellt. jaegle gefaellt mir jetzt sogar noch besser. der autopilot wird abgeschaltet, als ich ins helle cockpit steige. die anzeigen justieren sich neu. melatonindaempfer, sagt ein stimme begeistert hinter mir. jaegle folgt bereits. wir duerfen nicht auffallen. sie wiederholt es immer wieder. nachrichtenupdate. neues kartenmaterial. schneider ist ganz versessen die koordinaten einzugeben. sein tatendrang irritiert. die kanonen pumpen unermuedlich brom. ich frage mich, wie ihre haut riecht. nach der veraetzung wird sie ebenfalls neue teile brauchen. ihre morphindosis wird seit tagen erhoeht. als sie naeherkommt nehme ich ihr profil vom schirm. ich versuche sie abzulenken. wir gehen im netz spazieren. kaufen ein paar kleidungsstuecke. ihr ebenbild ist merkwuerdig. ich verstehe den zierrat nicht. ich frage mich, ob es ihr eigener scan ist oder nur ein avatar. ich habe schon lange keine echte frau mehr nackt gesehen. sie will nicht. sie sagt, dass sie mit mir nicht tanzen geht, da menschen keine pfauen sind. ihr einwand ist interessant. ich sage ihr foermlich, dass dies nur ein test war. tanzen sei im konfliktfall verboten. sie schweigt und wechselt in sekundenbruchteilen ihr kleid. der andauernde takt der farben stresst meine augen. ihre absicht ist offensichtlich, macht deshalb muede. die baeume werden neu geladen. freiflaechen entstehen. kaputte vektoren um uns herum. bots tauchen auf. unter ihnen elektronische haendler. unsere firewall kickt jetzt energisch. reiner eklektizismus unserer gefuehle. jaegle sieht mich wuetend an. sie aktiviert einen ausgang und verlaesst das areal. ich setze mich in der simulation auf den boden und beginne nacheinander die gesamte landschaft zu entfernen.
der ton der wirklichkeit bricht langsam wieder ein. schneider lacht hysterisch. turbinenhintergrundrauschen. der dumpfe nachbrennerschub koppelt mich ab. neue anweisungen werden vom bordcomputer verteilt. ich sehe jaegle immernoch ausgeschaltet und klar an der wand stehen. sie bleibt mit beschlagenem visier noch drinnen. kursaenderung. das flugzeug steigt ab. im heck quaelt schneider h4 mit elektroschocks. ich filtere das affenkreischen aus dem ohr und muss ueber nachahmungstriebe nachdenken. waehrend ich programmiere, werfen sich affenpranken gegen die scheibe. duenner rauch steigt in der box auf. ich amuesiere mich still ueber den verzweifelten tanz des echten affen. habe ich mich womoeglich in schneider getaeuscht? nanobots saeubern sofort den speichel vom sichtfenster. jaegle erwacht. als sie schneider vor dem tobenden tier sieht, faellt mir ihr name endlich ein. ich gebe die befehle durch. [pn]
Kategorie: erzaehlung, kriegstagebuch
Schlagworte: dystopie
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