andreas ems sagt
anna war schon immer so schlank gewesen, dass wir uns am anfang nichts dabei dachten, als sie ihre tage nicht bekam. eine woche spaeter , ich war gerade auf dem heimweg von der arbeit, rief sie an und bat mich einen test zu besorgen. sie wollte es jetzt wissen, das sagte sie so, als haette ich nichts damit zu tun. damals dachte ich, sie sei nur aufgeregt gewesen. ich fuehlte nichts, dazu war es zu abstrakt. in der apotheke stand ich herum und wunderte mich ueber die verschiedenen arten und preise der schwangerschaftstester. hatten einige mehr funktionen? wie kann man aus allem ein geschaeft machen ? die ironie wollte, dass eine marke tests gerade im angebot zu kaufen war. wie erbsendosen im markt standen sie auf einem tisch gestapelt. ich hatte kein bargeld dabei, weil ich es fuers essen in der pizzeria ausgegeben hatte. die kantine hatten sie uns damals schon zwei monate dichtgemacht. ich bezahlte den test mit der karte, das lesegeraet streikte so lange, bis jemand aus dem hinterraum geholt wurde. fuenf euro neunundneunzig, die dein leben veraendern koennen. den kassenbon eingesteckt. jede handlung hinausgezoegert, am liebsten haette ich die apotheke nicht mehr verlassen, nicht um anna im stich zu lassen, sondern die situation zu verhindern. der apotheker schaute neutral, so wie sie es wahrscheinlich alle beigebracht bekommen. zu jedem medikament eine leidensgeschichte, zu jedem schwangerschaftstest eine unglueckliche familie. ich war ploetzlich wuetend auf diesen fremden mann, seinen weissen sterilen kittel, waehrend ich mit einem kleinen karton, auf dem ein gefaelliges model abgebildet war, vor ihm stand. gleichzeitig dachte ich an anna, die zu hause wartete und die wut war wieder weg. draussen auf der strasse hatte sich nichts geandert. im bus las ich den beipackzettel. gibt es soetwas wie stolze furcht ? ich wusste nicht, wie ich mich fuehlen sollte. ich dachte gleichzeitig an den streit zwei tage zuvor und an das lachen von ihr. daran, dass ich ihr nicht richtig zugehoert hatte in den letzten wochen.
als ich in die wohnung kam, sass sie lesend in der kueche. sie schien nicht betruebt oder aufgewuehlt. ich legte die schachtel leise auf den tisch. danke. mit kleinen schnellen schritten ging sie ins bad. wir haben beim warten nicht so viel geredet, jedenfalls erinnere ich mich nicht an etwas besonderes, wir waren eher still. was soll man in einer solchen situation sagen ? haben eine nach der anderen geraucht. nach einigen minuten stand sie auf und ich folgte ihr, obwohl ich spuerte, dass sie es zuerst wissen wollte. ich stand auf der schwelle und sah sie an. anna kippte den indikator gegens licht. dann gab sie ihn mir, sie war sich nicht sicher. im nachhinein weiss ich jetzt wieso es teure und billige tests gibt, die billigen kann man kaum ablesen. sie war schwanger. obwohl sie noch zum arzt gehen wollte, um sicherzugehen, wussten wir es beide. wir umarmten uns, draussen fuhr ein schwerer lkw vorbei. es war ein ganz anderes gefuehl sie jetzt zu umarmen, doch ich spuerte, dass sie mit offenen augen ins leere schaute.
[pn]
Kategorie: erzaehlung
Schlagworte: andreas ems, geschlechterkampf
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