wehrmannrente



jede bevormundung durch die vorgesetzten ist zu vermeiden, sagt holler und kratzt sich hinter dem feuerwehrohr. die kinder klappen im hof die stuehle zusammen. holler schweigt, er hat dem schwiegersohn nichts zu sagen. dieser haelt die geputzten stiefel an den senkeln in der hand. holler vergisst selbst den vornamen oft, nennt ihn sohn, obwohl er es nicht glauben kann.
judith steht in entfernung unter den birken und winkt ihnen zu. magst du ein bier ? fragt der schwiegersohn, waehrend er in halber drehung die strenge frage stellt und holler in die augen blickt, weil es heute sein muss. holler nickt, als lernte er diesen mann gerade kennen. judith hakt sich bei ihm ein. sie traegt keine kleider mehr, es ist noch warm fuer oktober. holler wechselt das standbein, bleibt aufrecht in seinem zweimeter koerper stehen. einsachtundneunzig, lacht er jedes mal, wenn er von unten gefragt wird. zaeher braten auf den tellern, sie haben im dorf eine alte kuh geschlachtet, weil sie wegmusste. holler zieht mit dem fingernagel eine faser zwischen den zaehnen hervor. die kinder umringen ihn, wuenschen, dass er mit langen schwuengen ihre arme haelt und sich dreht. lass, sagt seine frau und schaut an ihm vorbei. lass, ist zu gefaehrlich.
holler kratzt wieder hinter dem ohr. im wohnhaus gibt es zwei duschen, den russ kann man abwaschen, an den geruch sind alle gewoehnt. streichholz nennen ihn die kinder, wenn sie durch die luft fliegen. holler trinkt ein bier und stellt es auf dem kiesweg ab, drueckt damit eine kleine mulde in die steine. vorgestern: die hitze hat ein loch in den estrich geschlagen, die fenster sind nicht zersprungen, haben sich nach aussen gewoelbt, als haette ein glasblaeser daran gearbeitet. der raum jetzt schwarz tapeziert, der fernseher ein klumpen, ein kleiner orkan in der mitte des zimmers, fetzen von briefen und buechern wirbeln umher, grobes und feines papier, die worte sinken in die lungen ohne atemgeraet. erst waren die anliegenden tueren zum brandherd geschlossen, dann waehrend der flucht der bewohner durch gleichzeitiges oeffnen – sauerstoffzufuhr – lebensspendende energie fuer das rot. temperaturanstieg, die luft hartgebrannt, wie keramik aus dem ofen. die bewohner kleideten mit jedem atemzug ihr inneres aus, ohnmachtsgesten und fersenflucht, ein aneinander vorbeikriechen am boden, in den rauch verkrallte haende, kein platz fuer hilferufe. stille, die der koerper einstellt um kraft zu sparen. holler beugt sich lange herunter fuer das bier. er sieht judith, seine tochter, mit den kindern streiten. sein schwiegersohn hat die zeigefinger in die taschen gehaengt. er unterdrueckt jetzt eine ohrfeige. [pn]