Texte - 2006
der anstaendige deutsche vor gericht beginnt beim luegen glaenzende augen zu bekommen. vor dem eigentlichen schweiss tropft ihm eine einzelne perle vom gesicht. er zweifelt beim holzsammeln an den gruenden fuer die scheiterhaufen. dann legt sich ihm ein lied auf die lippen, ganz wie von selbst. [pn]
die wohnung ist rechtwinklig geschnitten, wie das brot, welches grossmutter auf dem holzbrett schneidet. sie streicht die butter dick auf die scheibe, auch wenn calvin schreit, er koenne nicht so fett werden. sie zieht den ihr unbekannten namen beim rufen in die laenge. caalviiiin, drei brote sind fertig! sie leckt ihren finger ab, legt den aufschnitt in den kuehlschrank zurueck. das radio spielt einen schlager. es ist laut aufgedreht.
calvin hoert die grossmutter rufen, schaut mit erwachsenem blick in sein zimmer. jedenfalls stellt er sich so einen aelteren blick vor. er weiss nicht, dass menschen ihre innere integritaet vergessen, die tatsache, dass sie in jedem lebensalter nicht nur sich, sondern auch ihre probleme ernst nehmen. wieso schauen sie dann laechelnd auf die kinder und streichen ihnen sacht ueber den kopf, wenn sie sagen, dass es keine monster gibt, wenn sie das licht loeschen.obwohl sie genau wissen, dass sie luegen. calvin ist elf jahre alt, er mag die wurst nicht, die seine oma auf die brote legt. er glaubt, dass sie immernoch entzuendete augen hat. calvin ist zu besuch. er schaut wieder in sein zimmer. grossvaters kleidung haengt neben seiner jacke in dem weissen schrank. zeitschriften liegen auf dem bett. er geht zum spiegel, sein bild fasst an die roten haare, an die eigenen.
die frau in der kueche trinkt einen brennesseltee. ihr ist unwohl. sie hat das beduerfnis zu rauchen, obwohl sie es vor zwanzig jahren aufgegeben hat. ihr mann ist an lungenkrebs gestorben, an einem donnerstag. sie kann sich ihre nervoesitaet nicht erklaeren. hinter dem fenster geschieht nicht viel.
calvin dreht den schluessel im badezimmer um und spuckt in das waschbecken. von der ablage nimmt er eine deoflasche herunter. sie ist kuehl. er zieht die socken aus, bevor er in die duschkabine steigt. calvin leert das deodorant im hocken aus. das zischen riecht suess und schwer, stumpfer nebel steht in der kabine, dringt in den jungen ein. calvin atmet tief und ruhig, inhaliert, spuert das abgleiten. es aehnelt dem zucken beim einschlafen. ploetzlich spuert er bitterkeit. in zehn tagen stirbt sein hirn im staedtischen krankenhaus, zwoelf strassen weiter.
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tunnel und lichtkegel wechseln sich ab, dopplungen von worten sollten vermieden werden. es folgen leichte sommeranzuege aus duennem stoff, die spazierstoecke sind daheim an die wand gelehnt. am morgen hat ernst zwei eimer kohlen aus dem keller geholt, schwarzfettige haende gewaschen. selbst jetzt im sommer ist es in der hellhoerigen wohnung kalt. jetzt sitzt ernst in der strassenbahn, die pferde haben diese nacht gut geschlafen und vor kurzem die futtersaecke geleert. beschlagene hufe schlagen auf den teerboden. im wagen riecht es schnell nach fisch, papiertueten liegen in der mittagszeit auf den oberschenkeln der passagiere, kleben an den hosenbeinen. das fleisch ist zu frisch, entlaesst den rosa saft. die leeren haende werden gefaltet, ernst haelt sich aufrecht, er muss heute den gemeindevorsteher sehen, ernst traegt einen brief in der manteltasche, nach dem er ab und an fuehlt und eine ecke des zitronengelben umschlags betrachtet. am exekutionsplatz steigt niemand aus, hier hat die polizei ihre eigenen reitstaelle. es wohnen kaum buerger in der umgebung. die ulmen haben an den strassenraendern aufgehoert zu wachsen, als haetten selbst sie den toten boden verstanden. auch die pferdekoepfe schlagen aus, dass die bahn auf den schienen davon zittert. ernst verlaesst an der naechsten haltestelle die bahn, er laueft den huegel zum rathaus hinauf, vorbei an den buden der kleinen haendler und handwerker. in diesem teil der stadt ist elektrizitaet vollstaendig verboten. es ist eine schrulle des buergermeisters, der lieber hunderte von brieftauben von den grossen fenstern des gebaeudes aufsteigen laesst. sie sind dressiert nicht auf die strassen zu koten. so muehen sich die menschen nicht einmal den blick zu heben, wenn die voegel stuendlich die sonne verdecken und grobe schatten auf den boden und in den park werfen, der weitlaeufig um das rathaus angelegt ist. bis heute hat das geld nur fuer einige tuempel gereicht, nicht fuer den prachtsee, auf dem der buergermeister feine damen mit sonnenschirmen in booten treiben lassen wollte. nun werfen stechmuecken ihre larven in das stehende wasser, machen einen aufenthalt durch laerm und attacken ins gesicht unmoeglich. ernst legt den blick zur seite, da er einen bekannten in der menge erkannt hat. dieser steckt den kragen hoch und sagt:
solange kein blut in rotz oder der pisse ist, kannst du kaempfen.
dann schlaegt er ernst als offizier auf die schulter. ernst findet sich in einer gruppe rekruten wieder. sein nebenmann rollt nach links oben mit den augen, wie jemand der im kopf ein bild konstruiert. sie nennen ihn ladehemmung, obwohl sein gewehr immer schiessen kann. es geht zurueck zum zug, die gesamte division verlaesst das land. ernst erinnert sich, dass er heute seine einberufung verhindern wollte. weiter, weiter, schreit der offizier. die spucke schluckt er herunter, nur der gestank fliesst ihm aus dem mund. ich habe gewissensbisse, denkt ernst, weil ich zwei feinde und zwei zivilisten erschossen habe. der offizier hat ihm gestern auf die schulter geschlagen. die einzige lobende handlung, die er kennt. heute bekommt ernst dafuer einen abdruck auf die augen. er klettert in den panzer hinein und lacht kurz und hart darueber, dass er nicht zwischen ihnen umherirren muss.
[pn]
vor jedem krieg gibt es zerstreuung ,
fruehlingsschau der nazis,
rueckschlagsport,
der himmel ist getrennt,
sie reden unten.
oben faehrt ein flugzeug
an der richtschnur entlang.
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kontrastumfang. lass den circus endlich aus der stadt ziehen, obwohl die kinder weinen. noch eine stunde ruhe? mach dann bitte den fernseher aus, ich moechte wuetend auf dich werden. [pn]
an diesem tag zeige ich dir den fallenbau. die erste regel ist ein lauter auftritt, sei laut, die tiere sollen spueren, dass du naeherkommst. sei grausam, die tiere sollen deine konsequenz erkennen, sei beweglich mit jedem schlag, zeige deine handkante und kuesse den morgen. [pn]
die musik zweitklassig. das licht ausreichend geroetet. man kennt sich. erstklassig nur der handschuhkummer, der hin und her gereicht wird. belanglose opfer. nach dem hinaustreten wird doch vergessen. die gaeste sind sich einig. ein anwesender denkt: vorige woche ist doch etwas passiert. er koennte diesen tag hervorrufen, moechte es aber nicht. an die wand gegenueber der theke, schraeg zu den tanzenden, ist ein jesus projiziert. er stellt sein gemaltes antlitz zur verfuegung, koennte er, wuerde er lachen. der barmann weiss, dass er nicht in die glaeser spucken darf. schade. [die glaeser werden sowieso nur oberflaechlich gespuelt und nie poliert ] die gaeste stehen sich im flur im weg, reichen geld hin und her. die frauen versuchen sich mit dem gesicht in das rote licht zu stellen. die maenner sind lieber im schatten. schoenheit vergeht, wie sommerschwere. der anwesende nennt sich hans und diskutiert. er hat keine angst vor einem ausgedachten deutschen namen. seine begleitung heisst anders. die worte aus ihrem mund sind zu sanft. sie klingen einigend, als muesste karl geeicht werden. er versteht nichts, verletzend wirkt es, wie eine ueberschreitung. zu viele vergleiche. er schuettelt den kopf. ich bin doch betroffen, aber nur heimlich. sie sagt: ich moechte nicht, dass es uns schlecht geht.
sie beugen sich oft vor, weil es sehr laut ist. dabei verzeihen sie sich nur langsam. innerlich stehen ihnen die traenen in den augen. perfekte marmorbodenpflege und tageskurs im kofferpacken. seidenpapier knistert. die schnallen gehen einfach zu. sie schuettelt sich und geht zur flaeche, ueber der sich eine diskokugel dreht. ihr skelett ist zum tanzen gemacht. hinein in die welt der reichen. sie vermeidet augenkontakt, obwohl er angebracht waere. im fernsehen zeigten sie mittags einen krieg in einem fremden land. das sagt man nicht. sie hat schnell umgeschaltet. vor so vielen bildern wurde schon gestritten und geweint. sie sind angefuellt mit eigenen betrachtungen. ihre aussenwirkung wird unterschaetzt, sie werden degradiert auf anzuschauendes. doch dies meinte sie nicht. ihre gefuehle sind abwaschbar. beim sprechen brechen ihr die worte ab. zu lange stand sie in ecken, hat sich mitziehen lassen. heute passiert dies nur auf ihren wunsch. sie weiss, dass sie haut zeigen muss. ihr ist es nicht zuwider. ihr begleiter hat sich an der theke bereits umgedreht. dort wird immer nur geduzt. [pn]
sie zerreisst den bierdeckel am tisch und schaut erneut zur seite. je regelmaessiger sie es tut, umso fester schaue ich sie an. ueber die haende kann ich nichts sagen, sie sind nicht begehrenswert, vielleicht ist die stimmung deshalb so sonderbar. du suchst wohl einen grund? sagt sie und zerrt sich in mein blickfeld zurueck. nein, sage ich und moechte einen akzent setzen, indem ich selbst an ihr vorbeischaue, grundlos gefaellst du mir besser. der kellner wechselt den aschenbecher, als er geht antwortet sie befreiter: das sagst du immer. wir schweigen beide kurz danach. [pn]
worueber soll nachgedacht werden? ueber die hinfaelligkeit der angst? ueber erklaerungsversuche, den fehlenden mut aufzubringen handeln zu koennen. [ der kaffee ist vielleicht fertig, sagt die krankenschwester und geht ] wie erklaert sich einerseits die selbstvergewisserung der ausgebliebenen souverenitaet, die nicht mehr als ein staendiges beweinen, eher eine zertruemmerung des ichs bleibt, und der wunsch etwas leisten zu wollen? dass wissen um die hypothetische handlung, die besorgnislos blass und klar wirkt ? fragende sind umfangen von der strafe der ersten aussprache, jedes spaeter wird zur verzoegerung, die risse in das ichgebaeude treibt. es folgen wogen der bestaetigung, wenn andere verlorene gefunden werden und es moeglich wird sich in fremde arme zu lehnen. komplimentenfresser, beschwoerer und faule. geniesser, die scheinbar immer zu frueh und zu spaet geboren werden. lamentierende sprache, verzogen bis zur unkenntlichkeit. wenn die anderen, die unbekannten, uns alle bilder und umschreibungen entfernen, dabei wie mediale chirurgen drohend laecheln, wo sollen wir, die uebriggebliebenen, unser glueck noch suchen ? zu viele menschen opfern sich bereits, im kleinen und bescheidenen. gut gilt als schimpfwort, man stimmt zu und ueberlegt erst danach, selbst zum schaemen bleibt keine zeit. die knochen werden schwer vom bedauern einer innenwelt, umfangreiche posen stemmen sich der fliehenden zeit entgegen.
etwas auesseres brennt nieder, bis auf die struktur, gleitet in das abstrakte. in der theorie suchen die gemeinsamkeiten ihre energie, hier stellen sich freund und feind ruecken an ruecken, wissend, dass krieg und liebe nur behaelter sind. beide kreischen bei dem anblick offensichtlicher amoralitaet, sehen trotzdem die zusammenhaenge nicht. der hals tut weh vom lachen und warnen und dann schaut jemand auf seine haende, die sich jeden tag von selbst bewegen. er traut sich dann manchmal nicht ihnen zu widersprechen, in der angst zu verlieren, was noch nicht besessen wurde. [ die krankenschwester kommt wieder, sie hat ihren kaffee getrunken und kontrolliert jetzt die anzeigen. als sie durch die scheibe den kleinen arm des saeuglings sieht, denkt sie : du hast noch dein ganzes leben vor dir. dann zwingt sie sich vor dem verlassen des raumes ein laecheln und ein gesprochenes wort heraus.]
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rote haare, porzellanteint in strahlenform. das maedchen steht hier auf der klippe vor dem abgrund. es ist gluecklich. ihr freund wartet in entfernung und hat vergessen, dass sie nichts mehr hoeren kann. meist haben sie nur bilder angeschaut in den letzten wochen. kein wunder, dass sie malerin geworden ist, sagte ein bekannter neulich und hat dafuer einen faustschlag ins genick bekommen. die stille laechelt jetzt und schaut sich nur die wellen an. augenmusik erklingt in ihrem kopf. phantomgeraeusch schlaegt gegen die steine. lippenlesen ist nichts visuelles, es besteht aus intuition. sie fuehlt ihn hinter sich. die wolken stoeren sie, ihr freund ergaenzt zu oft ihre saetze, steht zu dicht neben ihr, deshalb wird sie ihn verlassen. der dolmetscher weiss nichts davon, er holt eine decke aus dem wagen. das radio hat er letzte woche ausgebaut, die platten verkauft und schliesslich darueber geweint. [pn]
an diesem tag wuerde ich gerne sagen koennen : diesmal ist das wetter nicht hindernis, sondern bloss hintergrund. aufgeklebte pappe, vor dem dieser betonquader in den himmel ragt, dessen geometrie mich einlullt und die schande vergessen laesst. welche schande? die anklage lautet auf unzurechnungsfaehigkeit, auf starrsinn ueberlebensgross. bei anderen ist ein ungebuegeltes hemd schon grund genug fuer einen wutanfall, bei mir schleichen die fehler lautstark und offensichtlich umher. sie helfen mir bei jeder treppenstufe, bei jeder verbeugung vor dem hochhaus. anfeindungen gehe ich durch flucht aus dem weg, lasse hier und dort durch meinen anblick umkehren, gefahr laeutet unvergesslich. der ausblick aus dem vierten stockwerk, obwohl die fensterbaenke und scheiben staubbedeckt sind, offenbart den wunsch nach gnadenhoehe. bereits hier sollte ich anfangen auf die zahnreihen zu beissen. hier schalte ich auch das telefon ab, lasse mich alleine-werden. die naechsten treppenhaeuser wirken gleich, zurueckgebildet, sie zeigen vertikale richtungen, je mehr ich an hoehe gewinne. geschlossene tueren hinter denen kein gereaeusch zu hoeren ist. ich presse mit den handflaechen gegen das fenster, spuere den widerstand, loese mich, da ich schnittverletzungen abstossend finde. als ich oben auf das dach trete schrecken die tauben auf, ich habe ihnen nichts mitgebracht. tetanusspritze in der tasche umschlossen, sehe ich unter einer verhangenen sonne, dass es hier auf dem rechteck keine kontrolleure gibt. das leichtfertigere denken beginnt. ich oeffne die schnuersenkel und trete an die kante, die begrenzung der welt, heran. die schwerkraft reibt sich schon die haende, als ich die augen schliesse und das zoegern zu einer gemuetsbewegung mache, die man auch am boden kennt. [pn]
amalgamlachen. der eine macht photos, der andere hat einen stein in der hand. beide kennen die auswirkungen ihrer arbeit nicht. der steinewerfer sieht das resultat jedoch noch vor labor und wartezeit. [pn]
die lassen alle schmetterlinge frei, auch wenn ihnen dabei schlecht wird. im bild werden nur konturen gehalten. fast scheint es so, als sei die handbewegung, die befreiung bringt, nur eine farce. tausendfach geuebt. ob dies den flug truebt? nichts ist entgegenzuhalten, wenn die pergamentfluegel geraeuschlos fliehen. [pn]
seit tschernobyl ist das wetter immer so schlecht, sagt die frau und nickt der anderen zu. so endet ihre beschwerde, als sie weitergeht und ihr kind hinterherzieht. sie bildet es zu ihrem doppelgaenger aus. wie viele gestische brocken bleiben in der sommerluft haengen, da niemand sie anschauen kann, weil es zu heiss dafuer ist. wir bevoelkern, ziehen uns an jedem sonnenstrahl entlang aus den hoehlen. hormonelle bewegungen und assoziationsgewitter. auf den rasenflaechen fahren paare einander durch das haar. geniessen verdientes. die spaziergaenger rundherum solo, vergessen ihre zeitverschwendung morgens vor dem spiegel. die meisten lippen bleiben ungekuesst. die frau mit kind hat freunde, die aus zahlen bestehen und anfaengen. ihre absicht ist temperaturschlag, der leiber kondensieren laesst. ihr scheint es fuer eine achtung zu spaet, so gelangt wenigstens manche haeme in fremde gewissen. sie betrachtet den mann, der lesend vor ihr liegt. ganz nah beim gehweg, wie ein hund. es ist weniger problematisch in der mitte des gruens zu liegen. dort wirkt es angepasst in eine vorstellung, wie die szene wirken sollte. wie sie scheinbar richtig waere. der mann erscheint ihr mutig, beinah vulgaer herausfordernd. aua mama, du tust mir weh. das kind reisst sich los und haelt sich die hand. die frau blinzelt, auch der mann schaut jetzt von der lektuere auf. er ueberlegt und urteilt ueber ihre attraktivitaet. naja. gestatten sie, dass ich mich vorstelle ? ich heisse oskar. oskar sand. er steht neben ihr, dabei hat sie sein herantreten nicht bemerkt. er klappt das buch auf ihrer augenhoehe zu, dass es knallt. sie nennt ihren namen. kaffee dort drueben ? einverstanden.
das kind kommt herangeeilt, wirkt unscharf in der ferne es ist fast zum horizont gelaufen. soll ich jetzt papa zu dir sagen? die mutter laeuft rot an und bestellt schnell ein eis. oskar raucht und schaut auf den see. er hat es wirklich ueberheoert. sie lachen und reden dreissig minuten. unter dem schirm seilt sich eine spinne auf den tisch herab und laeuft ueber die loeffel und leeren sahnetoepfchen. dann sagt die frau ernst :
glauben sie nicht, oskar, dass ich so eine bin. so eine verzweifelte mutter, die sich bei regen nicht auf die strasse traut und dann gleich in den park geht und einen mann trifft, wie sie. ich gebe ihnen hier meine nummer. wir koennten uns wiedersehen.
die ganze zeit traegt sie weiter ihre sonnenbrille und streicht ab und zu yvonne ueber den kopf. diese isst ein erdbeereis und spricht zu einem hund, der am nebentisch im schatten liegt. oskar trinkt einen schluck wasser und erwidert: geehrte [ er schaut kurz auf die notiz, dann wieder auf den see ] sophie, ich habe mir gar nichts gedacht. ich sah sie nur kurz und sie sind mir nicht aufgefallen. ich muss in diesem punkt ja ehrlich sein. doch ihre arrogante koerperhaltung hat mich beim zweiten blick schon interessiert. wie ein jazzstueck, dass man mehrmals hoeren muss, um nicht als amateur oder gar ignorant zu gelten.
sophie nickt kurz, lacht dann heraus: arrogant ? ja, sicher, sie hund am wegesrand. sie provokateur der kleinen leute. die meisten schauen ja in die ferne und uebersehen das, was ihnen direkt vor den fuessen liegt.
oskar laechelt und beobachtet, wie sophie ihrer tochter mit einem loeffel etwas rotes eis um den kindermund verschmiert, um es danach mit einem taschentuch abzuwischen. die restlichen gaeste schauen ihnen zoegerlich zu, scharren mit den fuessen. selbst der hund hat den heissen kopf gehoben und die ohren aufgestellt. oskar sagt diesmal direkt in ihre braunen augen : da haben sich zwei gefunden, oder nicht ? er ruft den kellner heran, damit sie getrennt bezahlen koennen.
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06:12
der pfoertner amon hat an der aussenwand der huette einen rueckspiegel angeschraubt, so darf er laenger sitzenbleiben. er laesst die koepfe an der scheibe warten, passierscheine werden ihm entgegengehalten. dann nickt er den gesichtern zu, umarmt dabei die tasse, stellt sie in der verschraenkten armbeuge ab. die zungenspitze faehrt ihm aus dem mund und wird trocken. amon muss sich hassen lernen, es stoert ihn nichts, noch nicht. die arbeit perlt an ihm ab. im kopf haengt das bild eines jaegers, der nichts geschossen hat. die schritte, die aus dem wald zurueckfuehren sind stets laenger und verzweifelter, als die ankommenden. amon steht auf, damit dass kreuz sich dehnen kann. an die waende kratzt er spurrillen in das holz. dalek, der vorarbeiter klopft ans glas :
dumm, dumm. die stechuhr ist korrupt. wieder einmal finden wir uns hier ein, haettest du deinen kalender nicht abgehaengt, waere dir nicht schlecht, amon. amon schaut ihn mit dem ruecken an : halt dein maul, dalek und kugel deinen arm an deiner presse aus. mich stoerts kaum hier zu sitzen, im sommer oeffne ich ein fenster, im winter stelle ich ne kohlentonne hier hinein. du musst dein hemd wohl oefter wechseln, kinderhirn?
dalek eilt weiter, hat die worte nicht mehr hoeren koennen. der kiesweg knirscht zu laut. durch das tor hinein, in einen arbeitsrausch getaumelt, am eingang gibt ihm der nacken eine arbeitspille in die hand. die dreiecksform hat einen jahrelangen eindruck in die innenflaeche seiner hand gestanzt. in welchem land wird bei zustimmung der kopf geschuettelt? er weiss es nicht mehr, hat es aber doch im fernsehen gelernt.
amon dreht auf seinem stuhl, jetzt hat er eine ruhepause am koerper, jedoch nicht im kopf. seine frau fragt abends immer nach dem spiegelpaar, damit sie ihren ruecken ruhig betrachten kann, ohne den kopf streng drehen zu muessen. amon laechelt sie still an und kaut weiter. sein gesicht bemueht sich um verschwiegenheit. in einem monat kauft er silberfarbe und streicht ihr wohl die augen an. viele wollen innenseher werden. zum mundzunaehen reicht es noch lange nicht, da wird er noch malochen muessen. das denken endet schoen. amon schaut auf die scheibe und hinaus.
11:44
hunderte sind vorbeigegangen. amon legt die hand auf das klingelnde telefon, hoert die anweisungen an. das herz schlaegt ihm in den hals. menschen vergessen oft, dass ihnen heiss vor angst werden kann. das vergessen kommt, wenn die hitze abklingt. amon wird rot und ist selbst befangen. ja, ja, ja – die lippen tun ihm davon weh. frueher hatte er einen knopf im armaturenbrett, den konnte er druecken. natuerlich nicht aus lust und laune, aber in bestimmten momenten, die eine aktivierung erforderte. der weisse knopf wurde ausgebaut. jetzt macht alles die zentrale. amon spuert den widerstand des knopfes immernoch im finger.
16:59
die sonne senkt sich steil herab. amon muss die hand ueber die augen halten, versucht die silhouetten der verlassenden zu deuten. in krummer haltung schreibt er irgendetwas in sein protokoll, wirkt geschaeftig. er sorgt sich schliesslich auch um seine anstellung. dabei sind doch alle arbeitsplaetze staatlich garantiert. diese alte gewohnheit ist reine nostalgie. morgen wird er nicht zur arbeit kommen muessen. er hat urlaub und freut sich bereits jetzt auf seine krankheitspille, die geschmacksneutral eine erkaeltung oder aehnliches hervorruft. amon wird sich sorgfaeltig an die schlaefe greifen und das fieber geniessen. dalek weiss um die tatsache und geht deshalb besonders langsam am pfoertnerhaus vorbei, die neidaugen sind rechtwinklig zum gang auf amon gerichtet, beide haben den eindruck, als dauerte die begegnung eine ewigkeit. zeitlupe. dann zieht amon seine zunge wieder ein.
[pn]
unterschiede erfinden.
sie strengt sich an und denkt,
ich wuerde ihr die stelzen brechen,
dabei steht amok unerreichbar,
verrueckt sich selbst,
unschaden gleich.
sie ist in ihrer haut
ganz straffend
eingesteckt.
ihre zurueckweisung erst
nur ein zoegern,
dann gibt sie sich
und die erlaubnis her.
ihre haltung wird zu einer ware,
die unverstanden werden soll,
wie ein gespraech ,
dass man zu fuehren glaubt.
ich sagte, ich toetete den konjunktiv
und wuenschte dann den krieg herbei.
gegenbewegungen
haben uns laut umspuelt.
sind nahende sich fuegsam,
duldsam und gleich,
oder schliessen sie gedanken mit fragezeichen ab,
wie das maedchen amok?
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der herrscher wollte gerade beginnen zu sprechen,
als ploetzlich am anfang des prozessionsweges
die goldene kutsche erschien, die ihn in den himmel fahren sollte.
[pn]
nun,
jetzt bist du imago. die puppenruhe ist vorbei.
dabei weisst du, dass ich insekten hasse.
na und? sagst du und bist in den augen noch grausamer.
selbst schuld, oder oder ?
wenn zwei parteien sich nicht einigen koennen,
sollen sie auf einen dritten zeigen.
deine hysterie ist waffe geworden. du musst dich beim lachen setzen,
traenen der erleichterung laufen dir ueber das gesicht.
in jeder deiner bewegungen sehe ich mathematische zuege,
auseinanderdriftende polaritaet intensiviert sich nur.
zu fest, kurz halte ich deinen arm, lasse ihn los.
du laeufst ueber die strasse. bremsgeraeusch,
der fahrer des volkswagens steigt aus, redet auf mich ein.
ich fahre ihm ueber den mund, sage im affekt, dass er die schnauze halten soll.
theatralische moderne welt,
bevor du fragen kannst, ob ich uns fuer einzigartig halte,
fallen wir schon wieder, ich sage nein.
um uns herum steigen tausende absichten in den himmel auf.
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